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17.07.2023: Den Wert von Demokratie und Freiheit eindrucksvoll vermittelt - Siegfried Keil als Zeitzeuge des 17. Juni 1953 am KAG Westerburg

Georg Kempf, Geschichtslehrer und stellvertretender Schulleiter am Konrad-Adenauer-Gymnasium Westerburg, wunderte sich nicht schlecht als er am Abend des 16. Juni die ZDF-heute-Sendung anschaute.

Im Bericht über die Feierstunde des Bundestages zum 70. Jahrestages des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 wurde ein Mann gezeigt, mit dem der Lehrer jahrelang in derselben Westerwaldgemeinde gelebt hat, dessen Geschichte er aber nicht kannte. Es handelte sich um Siegfried Keil, der nach dem 17. Juni 1953 Opfer der DDR-Staatsmacht geworden war und der jetzt nach 70 Jahren auf der Ehrentribüne des Bundestages saß und vom Plenum des Bundestages, sowie von Bundespräsident Frank- Walter Steinmeier gewürdigt wurde.

Als Zeitzeuge und persönlich Betroffener des Volksaufstandes kam Siegfried Keil eine Woche vor den Sommerferien zusammen mit seiner Ehefrau Regina Keil an das Konrad-Adenauer-Gymnasium Westerburg, um vor den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 10, 11 und 12 von seinen Erlebnissen zu berichten. Als Jugendlicher war er einigermaßen zufällig Teilnehmer der Proteste gewesen und hatte danach leidvoll die Reaktion von Justiz, Partei und Staatssicherheit der DDR erfahren müssen.

Am 17. Juni 1953 fieberte Keil als 17-jähriger Azubi bei den Leuna-Werken in Merseburg (früher IG-Farben) dem Ende seiner Schlosserausbildung entgegen. An diesem Tag nun wurde er zusammen mit Kollegen von seinem Meister aufgefordert, mitzumarschieren um den russischen Generaldirektor des bedeutenden Industriebetriebes abzusetzen. Der Meister wurde gefasst und man hat ihn nie wiedergesehen. Am nächsten Tag wurde das Werk von Polizei, Soldaten und Panzern abgeriegelt. In der Folge war der jugendliche Siegfried Keil an Protesten im Zusammenhang mit der Volkswahl in seinem Heimatort beteiligt und wurde festgenommen. Anders als die meisten anderen wurde er nicht wieder freigelassen. Er blieb in Haft, weil er einmal mit Freunden nach Westberlin gefahren war, um dort u. a. Ringelsocken zu kaufen. Diese waren damals bei der männlichen Jugend West die neuste Mode, galten aber im Osten als Zeichen der Rebellion. Man warf ihm vor, Kontakte zum westlichen Geheimdienst zu haben und versuchte ihn durch gefälschte Beweise als Nazi zu verunglimpfen. Während der Verhöre wurde er durch Schlafentzug und die Androhung von Schlägen misshandelt. Mit 18 Jahren wurde er zu eineinhalb Jahren Zwangsarbeit im Kupfererzbergwerk verurteilt. Er war untergebracht in einem Barackenlager und musste in Stollen von 80 cm Höhe schuften. Die Arbeitsbedingungen schädigten seinen Körper auf Dauer. Nach dem Ende der DDR musste Keil um seine Rehabilitierung kämpfen. Er wollte nicht länger als vorbestraft gelten. Doch ein Verantwortlicher von damals versuchte immer noch eine Aufarbeitung zu verhindern. Heute engagiert sich Siegfried Keil in der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft. Als Opfer der DDR-Gewaltherrschaft fand Siegfried Keil nach nunmehr 70 Jahren eine verdiente Würdigung, als seine Geschichte beim Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages zum 17. Juni 1953 im Plenum vorgetragen wurde. Er durfte mit seiner Ehefrau im Reichstagsgebäude auf der Ehrentribüne sitzen und erhielt den Applaus der Abgeordneten und des Bundespräsidenten.

Die 200 jugendlichen Zuhörerinnen und Zuhörer in der Aula des Konrad-Adenauer-Gymnasiums folgten gebannt den sehr persönlichen und bewegenden Ausführungen des inzwischen 86-Jährigen. Bei der Beantwortung der zahlreichen Fragen wurde Siegfried Keil von seiner Ehefrau unterstützt. Regina Keil stellte dabei sehr eindrücklich klar, dass die friedliche Revolution von 1989 die logische Fortsetzung der Ereignisse vom 17. Juni 1953 war. 1989 erkämpften die Bürgerinnen und Bürger der DDR durch gewaltlosen Protest ihre Freiheit und ein Ende der Gewaltherrschaft von SED und Staatssicherheit. Doch auch damals hatte das Ehepaar Keil als Teilnehmer der Montagsdemonstrationen in Leipzig Angst, dass die Machthaber wie 1953 mit Gewalt zurückschlagen würden. Demokratie und Freiheit sind eben keine Selbstverständlichkeit.

Nach dem Ende der Veranstaltung nutzen etliche Zuhörer die Gelegenheit sich persönlich beim Ehepaar Keil zu bedanken. Die authentischen Ausführungen von Siegfried und Regina Keil machten großen Eindruck und ihr Engagement wurde als sehr mutig empfunden. Wie es eine Schülerin formulierte, hatten für Siegfried Keil banale Anschuldigungen enorme persönliche Konsequenzen. Die Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse fühlten sich an ihren Besuch im ehemaligen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen im vergangenen März erinnert.

https://www.zdf.de/nachrichten/heute-19-uhr/heute-19-uhr-vom-16-juni-2023-100.html

Text: Georg Kempf

Bilder: Christoph Simon

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